Berta und Wilhelm Heuser im Kreise ihrer Kinder und Enkelkinder. In der hinteren Reihe als dritter von rechts Hermann Nees , Gründer der Ortsnachrichten.

Zur besseren Lesbarkeit hier der Text des Artikels:

Erinnerungen an Linkenheim vor 50 Jahren

Wilhelm und Bertha Heuser zur goldenen Hochzeit am 10. Dezember 1953

Linkenheim war um die Jahrhundertwende ein idyllisches Rheindorf. Wohl war das alte Rathaus, ein Balkenhaus mit runden Bogen, alles schwarz-weiß, verschwunden, da es zu weit in die verbreiterte Hauptstraße, die einem großen Verkehr diente, hineinragte. Aber in den Straßen und Gassen gab es Obstbäume, Holunderbüsche und trauliche Winkel genug. Vor dem Pfarrhof wuchsen zwei Akazien zu runden, grünen Kugeln. Und Akazien erfüllten zur Blütezeit den Hammerberg, das Hochufer gegen Leopoldshafen zu bis zum Denkmal des Bienenvaters mit betäubendem Duft.

Die Altwasser am Fuß des Hochufer waren ein Märchenreich für sich. Im Winter, wenn man Schlittschuh lief, sah man gefrorene Fische im Eis, Rohrkolben und Binsen hemmten die glatte Bahn, und vom Böllensand und von der Oberau her, wehlte eilfertig der Rheinwind. Zur Nebelzeit jedoch gingen dort Geister um, vor denen sich sogar die Raben krächzend auf ihre Schlafbäume flüchteten. Im Frühling, wenn die Maiblumensuche im Gründel beenet war, und Morcheln in Mutters Topf brutzelten, begann sich das Hochufer zu färben: Zartrosa, weiß, hellblau und dann gelb und dunkelblau blühten die Blumen und die dunkelblauen, die Salbeiblüten, kündeten schon vom Hochsommer, der Badefreuden im Altrhein und in der Schließ bescherte.

Und an einem Hochsommertag war es, da sah ich einen schmucken Matrosen, ganz in weiß, durch die Hauptstraße gehen, und man sagte mir: „Das ist Wilhelm Heuser, er besucht seine Braut, Bertha Zwecker, die Tochter unseres Bürgermeisters“. Bertha Zwecker kannte ich vom Versteckspielen als Kleinkinderschülerin. Die Erinnerungen sind dunkel, aber sie lassen sich nicht vertreiben. Das schöne alte Rathaus steht noch in diesen Erinnerungen, und wenn wir von der Kinderschule heimgingen, spielten wir in der Vorhalle verstecken. Da flüsterten manchmal die Kinder: „Still, da drüben wohnt der Bürgermeister, und dort geht seine Bertha, und wenn wir bös sind, sagt sie es vielleicht ihrem Vater, dann holt uns der Büttel!“ Nun, sie sagte es nie, und bald waren wir alle herangewachsen, und sie war die Braut eines Matrosen. Ihr Bruder Julius lehrte sie einmal ein Lied: „Es zog ein Matrose wohl über das Meer“. Sie sang es oft beim Hopfenzopfen und beim Arbeiten im Hof und beim Rübenputzen im Stall, und da wussten sie noch nicht, dass einmal ein Matrose Berthas Bräutigam werde.“

Nun aber kurz nach der Jahrhundertwende, war es so gekommen, der Matrose, der übers Meer gezogen war, kam auf Urlaub und wurde Berthas Verlobter. Ich schaute ihm nach, als ich ihn an jenem Hochsommertag sah und wunderte mich, woher er den Mut genommen hatte, sich so weit bis China und Japan, in die Welt zu wagen, ja ich beneidete ihn; denn meine Fernsehnsucht war groß.

Und eines Tages begegnete ich ihm und er erzählte vom Meer, von seinen Fahrten, von Hamburg und von fernen Ländern. Das Fahren auf dem Meer hatte ihn stark und gesund gemacht, und die weite Ferne hatte ihm gezeigt, dass man überall leben und glücklich sein kann, wo man ein treues Herz hat. Dieses treue Herz fand er an Bertha Zwecker, die dann, nach Ablauf seiner Dienstzeit seine Frau wurde. Mir selbst stak damals das Fernweh im Blut.

Ich war Volksschullehrerin geworden und meldete mich an eine Schule nach Deutsch-Südwest-Afrika. Leider aber war ich nicht tropenfest, eine Schwäche, die schon meinen Vater abgehalten hatte, Missionar werden zu dürfen. So kam ich nie nach Übersee, sosehr mein Sehnen danach stand, aber, wenn ich Gelegenheit hatte, unterhielt ich mich mit Menschen, die einmal draußen, weit überm Meer gewesen waren.

Vom jungen Paar, Wilhelm und Bertha Heuser, hörte ich länger nichts mehr. Das Schicksal brachte mich südlicher an den Oberrhein, wo mein Mann beruflich tätig war und dann, als wir älter wurden, neigte sich unsere Jugend wie ein Ring hin zu den Tagen des Alterns. Wilhelm und Bertha Heuser gründeten ein Geschäft, sorgten aufopfernd für ihre Kinder, erlebten das Grauen des Krieges, der ihnen einen geliebten Sohn entriss, und zogen den Kreis ihrer Arbeitspflichten enger.

Aber über allem Leid und über allen Sorgen bliebe ihnen eines, die treue Verbundenheit der echten Liebe und das Vertrauen zu Gott und der Güte der anderen und zur Treue und Liebe ihrer Kinder. Sie haben es sich nicht leicht gemacht, aber sie vergaßen nie, ihren Geist zu bilden und zu pflegen. Sie lasen Bücher und machten kleinere Reisen, und als in Karlsruhe die Kunsthalle nach dem zweiten Weltkrieg neu eröffnet wurde, da gehörten sie zu ihren ersten Besuchern.

Ich aber konnte es nicht lassen, so oft ich in meine Heimat kam, Bertha und Wilhelm zu besuchen, Bertha, die Tüchtige, die trotz allerhand Altersbeschwerden wundervoll backt und kocht und näht und mit ihrem Mann alle Arbeit teilt, die bei der Arbeit im Haus und Feld etwas gefunden hat, was man Weisheit des Herzens heißen kann, die ihre Haustiere liebt und ihnen humorige Namen gibt und die eine Blumenseele hat.

Jetzt wohnt das Paar, das am 12. Dezember 1953 seine goldene Hochzeit feiert, im Altenteil des Hauses. Dieser Altenteil ist ein Neubau. Er steht auf dem Platz wo einst das geliebte Hausgärtchen gewesen ist. Bertha Heuser hat jetzt Blumenkästen vor den Fenstern, in denen sie den allerschönsten Sommerflor hegt und pflegt. Sie vermag nicht ohne Blumen zu leben, und ihr gütiges Herz ersinnt stets aufs Neue Freuden für Kinder und Enkel.

Am schönsten aber ist es bei dem Paar, das wir heute Jubelpaar nennen dürfen, wenn wir miteinander im gemütlichen Stübchen sitzen und Wilhelm Heuser sein Seemannsgarn spinnt. Er tut es nicht gern. Ich lasse aber nicht nach, ich bettle wir ein Kind. „Erzähl doch“, dann schaut mich Bertha Heuser freundlich an und Wilhelm erzählt von Fahrten übers weite Meer. Wir vergessen die Gegenwart, die aus Linkenheim ein schmuckes, hygienisches Dorf gemacht haben. Die Altwasser sind verschwunden, die Häuser stehen sauber und reihenweise, Gärten und Felder sind moderner gepflegt und bringen auch Spargel und Frühgemüse und einen bescheidenen Wohlstand.

Wir Alten freuen uns, wenn die Jugend vorwärts kommt, aber wir haben schöne Stunden, wenn wir an Alt-Linkenheim denken, - damals, als das Dorf ein Idyll gewesen ist und Wilhelm Heuser im weißen Anzug zu seiner Braut Bertha ging. Gott hat beiden lieben Menschen ein gesegnetes Alter gegeben. Im Kreise von Kindern und Enkeln können sie gesund das Fest der goldenen Hochzeit begehen. Und wir, die wir sie kennen und lieben, feiern alle mit und wünschen ihnen fernerhin Gottes Segen.




Wilhelm Heuser als Matrose der Kaiserlichen Marine




Wilhelm und Berta mit Enkelin Doris, ca 1940


Wilhelm und Berta Anfang der 60er Jahre


Jakob Zwecker ( 1836 - 1903), Bürgermeister von 1889 - 1903, mit seiner Frau Johanna Katharina (geborene Heuser.)
In seine Amtszeit fällt der Bau unseres heutigen Rathauses.
Ob Berta auf dem Bild ist kann nicht mehr geklärt werden, es ist aber ganz gut möglich, da sie das jüngste ihrer 9 Kinder war.


Jakob Friedrich Zwecker (1795 - 1871), Bürgermeister von 1852 -1863, Vater von Jakob Zwecker und Grossvater von Berta

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