Weihnachten mit Petrus 2019

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Nur noch wenige Tage vor dem großen Fest wachte Petrus am frühen Morgen schweißgebadet auf. Es war ein wirklich schlimmer Traum gewesen. Eigentlich träumte Petrus nur selten. Meist waren es aber nur unangenehme Dinge. Diesmal war es besonders schlimm. Er hatte geträumt, dass bei der Vorbereitung auf das bevorstehende große Fest die amerikanischen Engel den Auftrag zur Beschaffung des Weihnachtsbaumes übernommen hätten. Sie hätten versprochen, den größten und schönsten Baum zu liefern, der je im Himmel aufgestellt wurde. Und die englischen Engel hätten sich wie im vergangenen Jahr bereit erklärt, den Weihnachtsbaum zu schmücken.

Am Morgen des großen Festes hatte Petrus sich davon überzeugen wollen, ob alles zur Zufriedenheit erledigt worden wäre. Und dann die Katastrophe: Der Weihnachtsbaum war viel zu klein, er hatte bereits die Hälfte seiner Nadeln verloren und die Spitze war abgebrochen. Und auch von dem geplanten Schmücken durch die englischen Engel war weit und breit nichts zu sehen.

Petrus wollte die zuständigen Engel zur Rede stellen. Doch da hätten die amerikanischen Engel behauptet, es sei doch ein wunderschöner Baum und jegliche Kritik als völlig unbegründet und als persönlichen Angriff zurückgewiesen. Die englischen Engel, für die Dekoration des Baumes zuständig, seien sich immer noch nicht einig gewesen, ob und wann sie endlich mit dem Schmücken beginnen wollten.

Doch jetzt wachte, wie bereits erwähnt, Petrus schweißgebadet auf. Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass es sich nur um einen Traum gehandelt hatte. Er erinnerte sich daran, dass auf Anweisung von ganz oben, zum diesjährigen Weihnachtsfest erstmalig nicht er allein, sondern ein ausgewähltes Engelsteam unter seiner Leitung für die Durchführung des Festes vorgesehen war. Auf seinen besonderen Wunsch hin wurde Knecht Ruprecht zusätzlich in das Team aufgenommen, allerdings musste er im Gegenzug zustimmen, dass ein sehr junger, schwedischer Engel ebenfalls in das Team aufgenommen wurde.

Kurz darauf fand die erste Teambesprechung statt. Wesentliche Aufgaben konnten einvernehmlich und schnell erledigt werden. So übernahmen die französischen Engel wiederum die Zubereitung des Festmahles. Dieses Jahr sollten allerdings auf keinen Fall tierische Produkte verwendet werden, worauf besonders der junge schwedische Engel bestand. Auch wurde mehrheitlich abgelehnt, dass die Köche bei ihrer Arbeit gelbe Westen tragen durften. Die Beschaffung des Weihnachtsbaumes wollten dieses Mal die österreichischen Engel erledigen. Der Vorschlag auf den Baum ganz zu verzichten, und stattdessen aufeinander geschichtete Steine entsprechend zu dekorieren, wie von dem schwedischen Engel vorgeschlagen, wurde vor allem von Engel Waldemar empört abgelehnt. Und nachdem die italienischen Engel hoch und heilig versprochen hatten, nur echte Kerzen und keine LED-Lichter mehr einzusetzen, wurden sie einstimmig mit dem Schmücken des Weihnachtsbaumes beauftragt. Der Engel Waldemar sagte zu, die Arbeiten zu überwachen.

Jetzt musste nur noch Knecht Ruprecht bestätigen, dass alles wunschgemäß ablaufen konnte. Er konnte auch mitteilen, dass der Rentierschlitten generalüberholt und dank dem Engel Herbert in hervorragendem technischem und optischem Zustand sei. Auch die Rentiere seien nach zwei erfolgreich verlaufenen Knieoperationen und Implantation einer Geweihhälfte mit 5 Enden in guter Verfassung und wollten nun endlich starten um den Kindern ihre Geschenke zu bringen.

Aber da meldete sich der schwedische Engel vehement zu Wort. Es könne nicht angehen, dass die Rentiere immer und immer wieder diesen unmenschlichen Belastungen ausgesetzt werden. Bei Schnee und Eis, bei Sturm und Wind,ohne regelmäßige Mahlzeiten, dass könne so nicht weiter gehen. Im Zeitalter der Mondlandungen, der Automatisierung und der Digitalisierung müsse es doch die Möglichkeit geben, ohne diese Tierquälereien die Geschenke zu den Kindern auf die Erde zu transportieren. Der Engel Mike meldete sich zu Wort. Er schlug vor, den Rentierschlitten technisch so aufzurüsten, dass er völlig autonom zu den Kindern auf die Erde fliegen und die Geschenke ordnungsgemäß ausliefern könnte. Dadurch könnten wertvolle Ressourcen eingespart und auch das Futter für die Rentiere deutlich reduziert werden. Außerdem könne Knecht Ruprecht dann endlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

Aber dagegen meldete Knecht Ruprecht größte große Bedenken an. Bei der augenblicklichen Hochkonjunktur würde es wohl keinen Handwerker geben, der in der kurzen Zeit bis Weihnachten derartige Arbeiten ausführen könne oder wolle. Außerdem müsste der Schlitten noch vom TÜV geprüft werden. Nach kurzer Diskussion war dieser Vorschlag vom Tisch. Da wurde auch schon ein neuer Vorschlag vorgetragen. Diesmal von dem schwedischen Engel:“ Wie wäre es, wenn wir anstelle des Rentierschlittens mit Knecht Ruprecht einfach eine Drohne mit die Auslieferung der Geschenke beauftragen würden?“ Nach langwierigen und teilweise äußerst emotional geführten Diskussionen schlug der Engel Günther vor, doch einen Versuch zu unternehmen und auf der Erde eine Drohne anzumieten. Mit dieser sollte dann geprüft werden, ob die gewünschten Geschenke ausgeliefert werden könnten. Gesagt, getan. Die erste Himmelsdrohne wurde auf den Weg gebracht. Gespannt wartete nun das Engels- Organisationsteam auf das Ergebnis.

Man wartete und wartete. Aber man wartete vergeblich. Der Quadrocopter kehrte nicht zurück. Eine größere Gruppe des Engelsteams begann jetzt zu murren und sprach sich gegen die Forderungen des schwedischen Engels aus. Vor allem alle die Engel, die Manfred hießen, waren entrüstet und dafür, Knecht Ruprecht wieder mit der Auslieferung der Geschenke zu beauftragen. „Wie wäre es,“ fragte Petrus,“wenn wir noch einen letzten Versuch machen und eine Drohne ohne Geschenke auf die Erde schicken, aber diesmal soll sie etwas holen und nicht bringen. Vielleicht klappt das wenigstens?“ Dass hierbei Petrus einen Hintergedanken hatte, merkte zum Glück niemand.

Nach nach einer weiteren, längeren Diskussion stimmte das Team endlich dem Vorschlag zu. „So, wir machen jetzt erst mal eine Pause und ich lasse mir inzwischen einfallen, wo und was die Drohne holen soll.“ sagte Petrus zu dem Team.

Nach der Pause teilte Petrus dem Team mit, dass die Drohne ihre Aufgabe zwar erfüllt habe, aber die Auslieferung der Geschenke an die Kinder auf der Erde doch wieder durch Knecht Ruprecht und seine Rentiere erfolgen solle, da schließlich das Team mehrheitlich dafür gewesen sei. Und so kam es, dass das diesjährige Weihnachtsfest doch noch ein gutes Ende nehmen konnte. Der wunderschöne Weihnachtsbaum, der, wie sich herausstellte, aus Südtirol stammte, war von den Österreichischen Engeln geliefert und aufgestellt worden. Die Italienischen Engel hatten ihn mit echten Kerzen sowie großen und kleinen bunten Kugeln, von denen einige wenige vielleicht doch aus China importiert sein konnten, hervorragend geschmückt.

Zwischenzeitlich war Knecht Ruprecht mit seinem Schlitten unterwegs, um die vielen Wünsche der Kinder auf der Erde zu erfüllen. Die Rentiere ließen es sich derweil nicht anmerken, dass hier und da das Knie noch etwas zwickte. Der Engelschor stimmte sich schon auf die schönsten Weihnachtslieder ein. Die Französischen Engel hatten schon den Tisch gedeckt und begannen, die wunderbaren, allerdings nicht ganz veganen Speisen aufzutragen.

Petrus war gerade dabei, sich in seinem bequemen Sessel niederzulassen, sich ein Gläschen von dem wunderbaren Chianti Classico einzuschenken, von welchem die zweite Drohne zwei Flaschen eigentlich ohne Wissen des Engelsteams aus dem ihm wohlbekannten Weingut in der Toscana antransportiert hatte, als ihm der Engel Rainer ins Ohr flüsterte, dass auf der Erde in der Ukraine Überreste einer Drohne gefunden worden wären. Man hätte vermutet, dass es sich hierbei um eine russische Spionagedrohne gehandelt habe und diese wäre dann von amerikanischen Raketen abgeschossen worden.

Petrus wunderte sich noch, dass ihn diese Nachricht völlig kalt ließ, dann schenkte er sich noch ein großes Glas von dem Chianti ein, trank noch einen ordentlichen Schluck, doch dann, wie jedes Jahr um diese Zeit, fielen ihm die Augen zu und er fing leise an zu schnarchen, sodass er nicht mehr hören konnte, wie der Engelschor schon das erste Weihnachtslied anstimmte. Und alle Engel, auch die in der Zehntscheuer sangen mit.

Wolfgang Kolb
Weihnachten 2019

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