Zehntscheuer

Zur Schulhausbaugeschichte in Hochstetten

Wann in Hochstetten zum ersten Mal „Schule gehalten“ wurde, weiß man heute nicht mehr. Es wird vermutlich auch ein Geheimnis bleiben. Was uns aus den Anfängen überliefert ist, ist folgendes:

Begonnen hat es im Gefolge der Reformation. Am 1. Juni 1556 trat die erste evangelische Kirchenordnung in der Markgrafschaft Baden-Durlach in Kraft. Die Pfarrer wurden verpflichtet, zu einer bestimmten Zeit am Sonntag in der Kirche die Gemeindejugend zu unterrichten. Lehrstoff war der Katechismus, der auswendig gelernt werden sollte. Als zweites Unterrichtsfach kam bald darauf der Kirchengesang dazu. Aber es dauerte noch mehr als hundert Jahre lang, bis wir gesicherte Überlieferung von Schule und Unterricht in Hochstetten nachweisen können.

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Hochstetten, Blick von Süden, Altes Rathaus, Schulhaus; das Bild gehört zu einer Serie von Luftaufnahmen von 1958
Als aber zum Auswendiglernen und Singen das Lesen und später noch das Schreiben dazukamen, war die Kirche nicht mehr der geeignete Ort für den Unterricht. Es mussten besondere Schulräume eingerichtet werden, anfangs sicher im Haus des Lehrers oder in einem leerstehenden Bauernhaus. Von Schulhausneubauten ist noch nicht die Rede. In einer Erhebung über die Schulen in der Markgrafschaft aus dem Jahr 1699 aber steht dann doch: „Das (Schulhaus) in Hochstetten ist im Kriege verbrannt.“ Es musste also in der Zwischenzeit ein „Schulhaus“ eingerichtet worden sein. 1742 heißt es „Schule wird in ... Hochstetten im Rathaus gehalten.“ Um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Staat, Schulhausbauten zu fordern und auch zu fördern. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel das bis heute erhaltene älteste Schulgebäude in Linkenheim in der Ringstraße 1. Es wurde 1781 erstmals erwähnt. In Hochstetten ist aktenkundig, dass 1762 die Notwendigkeit eines Schulhausneubaus amtlich anerkannt war. Von einer Ausführung des Bauvorhabens ist ebenso wenig bekannt wie von seiner Unterlassung. Allerdings wird im „Bann- und Flurbuch“ vom Jahr 1825 auf dem Grundstück Nr. 34 ein Schulhaus im Besitz der Gemeinde genannt. Auf dem fraglichen Grundstück steht heute das Haus Hauptstraße 77. Es liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des alten Rathauses, das die Hausnummer 73 hatte. Außerdem gibt es mehrere Protokollnotizen der Ortsschulbehörde aus den Jahren 1836 bis 1838, die sich mit dem schlechten baulichen Zustand des Schulhauses befassen. Man kann also durchaus annehmen, das 1762 geplante Schulhaus wurde seinerzeit wirklich auch gebaut, wann genau, weiß man allerdings nicht.

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Altes Schulhaus Hauptstr. 82. Die Aufnahmen dürften gegen Ende des 20. Jahrhunderts gemacht worden sein
Konkretes über Schulhausbaupläne erfahren wir wieder um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Ortsschulbehörde beschäftigte sich 1845 und 1848 wiederholt mit dem Thema. Sie wollte unbedingt rasch ein neues Schulhaus bauen, der Gemeinderat dagegen taktierte hinhaltend. So dauerte es noch einige Jahre, bis 1856 endlich das "Alte Schulhaus" (Hauptstr. 82) erbaut wurde.

Geplant waren ursprünglich zwei neue Schulsäle, gebaut wurde aber nur einer, der untere. Im oberen Stockwerk richtete man die Lehrerwohnung ein. Für den Unterricht stand nun ein Schulsaal im neuerbauten Schulhaus zur Verfügung und einer wie bisher im Rathaus. Wahrscheinlich fand dort die „Industrieschule“ (Nähen und Stricken für Mädchen) statt.

Die Schülerzahl stieg inzwischen kontinuierlich an und betrug in den Jahren nach 1900 immer zwischen 190 und 200. Im Jahr 1910 sollte eine dritte Lehrerstelle errichtet werden. Die Gemeinde wehrte sich aus finanziellen Gründen aufs Heftigste dagegen (!). Allerdings ohne Erfolg. Der dritte Lehrer kam, und das Kreisschulamt forderte den Bau eines neuen Schulhauses mit vier Schulsälen. Der Schulsaal im Rathaus wurde als "Notsaal" bezeichnet. Noch im Jahr 1910 kaufte die Gemeinde von Julius Tropf ein Grundstück von 25,74 Ar samt Wohnhaus und Schuppen. Das Grundstück sollte zum Teil als Bauplatz für das neue Schulhaus dienen, ein Turnplatz sollte angelegt werden, und der Rest von etwa 10 Ar blieb Ackerland. 1912 fand der Neubau statt. Das Tropf'sche Wohnhaus wurde zur Lehrerwohnung umgebaut.

Die feierliche Einweihung war am Sonntag, dem 25. August 1912, nachmittags um 14 Uhr. Die Jahresrechnung von 1912, vorgelegt am 18. Juli 1913, weist folgende Kosten für diese Baumaßnahme aus:

Schulhausneubau 28.949,23 Mark
Umbau Lehrerwohnung 2.367,56 Mark
Summa 31.316,79 Mark
Voranschlag 28.400,00 Mark
Überschreitung 2.916,79 Mark

Ein Staatszuschuss wurde nicht gewährt mit der Begründung: „...da Hochstetten nicht zu den bedürftigen Gemeinden gehört." So bestritt die Gemeinde die Kosten aus Eigenmitteln und mit einer Kreditaufnahme in Höhe von 14.400 Mark.

Nach dem Zweiten Weltkrieg quartierte die Gemeinde der allgemeinen Wohnraumnot Rechnung tragend Vertriebenenfamilien im alten Schulhaus in der Hauptstraße ein. Nun reichte auch das neue Schulhaus nicht mehr für die ordentliche Abwicklung des Unterrichtsfach aus, auch als die Heimatvertriebenen den unteren Schulsaal in der Hauptstraße wieder freigegeben hatten. Die Gemeinde musste neuen Schulraum erstellen und sah dafür eine Erweiterung des neuen Schulhauses in der Luisenstraße (heute Schulstraße) vor.

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Das Schulhauses, noch in der Bausubstanz von 1912 (vor der Erweiterung 1952)
Der neue Bauteil war gegenüber dem Bestand etwas breiter angelegt, so dass zwei Klassenzimmer nebeneinander passten. So entstanden im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss jeweils zwei neue Schulsäle. Das neue Haus war nunmehr auf insgesamt sechs Klassenzimmer erweitert. Neue Toilettenanlagen, eine Modernisierung der Schulküche im Kellergeschoss und Räume für die Verwaltung im Dachgeschoss ergänzten die Baumaßnahme zu einem für die damaligen Verhältnisse modernen und ansprechenden Schulhaus, auf das die Gemeinde mit Recht stolz sein konnte. Merkwürdig ist, dass während der Bauausführung die verantwortliche Bauleitung vom Planfertiger Otto Süß auf den Architekten Albert Herrmann aus Linkenheim überging. Die Gründe hierfür sind mir nicht bekannt. Nach der gelungenen Fertigstellung des Neubaus verabschiedete sich die Hochstettener Schuljugend im Beisein von Bürgermeister Karl König am 14. September 1952 von ihrem alten Domizil in der Hauptstraße und zog in einem kleinen Festzug zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern zum „Neuen Schulhaus“ in die damalige Luisenstraße um. Ansprachen hielten bei der Feier Bürgermeister Karl König, Landrat Josef Groß, Schulleiter Albert Bauer und Pfarrer Helmut Feil. Die Schlüsselübergabe erfolgte durch den Bauleiter Architekt Albert Herrmann.

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Einweihung 1952. Die beiden Bilder gehören in die Serie, die damals gemacht wurde. Erkennen kann man sitzend in der ersten Reihe ganz links Pfarrer Helmut Feil, dann der vierte in der Reihe Landrat Josef Groß, der sechste Otto Husser, der neunte Gemeinderat Karl Wagner

Die Schülerzahl stieg in der Folgezeit rasch an. Einer der Hauptgründe hierfür war der Bau und die Inbetriebnahme des neuen Kernforschungszentrums im Hardtwald bei Leopoldshafen Ende der Fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Auch nach Hochstetten zogen im Zusammenhang damit viele junge Familien mit schulpflichtigen oder bald schulpflichtig werdenden Kindern. Der scheinbar üppig bemessene Schulraum der Hochstettener Schule stieß bald an seine Grenzen. Die Volksschule Hochstetten musste die Oberstufe (Klassen 5 bis 8) an die neu gebildete Hauptschule Linkenheim abgeben. Hochstetten blieb nur noch die Grundschule (bisher Unterstufe oder Elementarstufe mit den Klassen 1 bis 4). Von den meisten bedauert brachte diese Maßnahme der Schule aber doch wieder eine spürbare räumliche Entlastung.
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Erweiterung (Verlängerung des Hauptgebäudes nach Westen). 1. Bauabschnitt rechts v. 1912 / Bauabschnitt 2 links 1952
Die Bevölkerungszahl in Linkenheim und die damit im Zusammenhang stehende Zahl der schulpflichtigen Kinder wuchs in jenen Jahren aber noch schneller an als in Hochstetten. Akuter Schulraummangel in Linkenheim war die unabwendbare Folge. In Linkenheim entstand das Schulzentrum an der Heussstraße mit Grund- und Hauptschule, Realschule und Förderschule. Trotz gewaltiger finanzieller Anstrengungen der Gemeinde Linkenheim konnte die Erstellung neuen Schulraums dem Anwachsen der Schülerzahlen nicht folgen. 1975 kam dann die Gemeindereform in BadenWürttemberg. Aus Linkenheim und Hochstetten wurde die Einheitsgemeinde Linkenheim- Hochstetten. Um die unhaltbaren räumlichen Schulverhältnisse im Ortsteil Linkenheim wenigstens etwas zu lindern, änderte die Gemeinde die Schulbezirke, so dass nun auch Kinder aus Linkenheim die Grundschule in Hochstetten besuchten. In schönem Wechselspiel war es jetzt wieder in Hochstetten eng geworden!

1984 errichtete Architekt Harold Scholl den „Neubau“, der aufgrund der rasch steigenden Schülerzahlen erforderlich geworden war. Gleichzeitig fand eine gründliche Renovierung des „Altbaus“ statt. Im Dachgeschoss entstanden nun Räume für die Schulverwaltung (Rektorzimmer, Sekretariat und Lehrmittelsammlung) und ein neues Lehrerzimmer.

Manfred König (2015)

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Beide Schulgebäude zusammen(ca. 1970), sowie rechts der „Neubau“ allein (1984)
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